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Kulturelle |
Spurensuche... |
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Die
Magie der Tradition - |
ein
Besuch im Museum ArtArtà |
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Es ist schon paradox: in Zeiten galoppierender Globalisierung, in denen
multinationale Konzerne der Welt ihre uniformen Produkte andienen, wächst
gleichermaßen auch die Sehnsucht nach dem Besonderen und
Unverwechselbaren. Die Wiederentdeckung lange vergessener lokaler
Traditionen entspringt diesem Wunsch nach Authentizität und Heimat. Ihre
Magie entfalten sie freilich erst in einem Ambiente, das den Zeitgenossen
durchaus als zeitgemäß erscheint: das Alte im Gewand des Neuen, ein
must have für die Liebhaber mallorquinischer Kultur. |
In der Fußgängerzone von Artà hat diese Sehnsucht seit kurzem einen Raum
der Wiederbegegnung mit dem Eigenen im Museum ArtArtà in der Carrer
d’Antoni Blanes 19 gefunden. Dort ist das in mallorquinischem Stil
modernisierte Stadthaus gezielt als Treffpunkt mit dem Regionalen in
Kunsthandwerk, Küche und Kultur gestaltet. |
Vom Zauber der rondaias im ersten Stock des Hauses, dieser
mallorquinischen Volksmärchen, die lange in den Erzählungen der Großeltern
überlebt haben, konnte Figaro sich selbst überzeugen, als er mit seinen
Freunden aus Palma dort das erste Mal zu Besuch war und – verzückt – den
Ausführungen der Gründerin und Leiterin des Museo, kurzum der Seele
des ganzen Unternehmens, lauschte. |
Wenn María Isabel Sancho, Direktorin
des Stadttheaters von Artà im Hauptberuf, neben „ihren“ Figuren ins
Schwärmen gerät, öffnet sich der Phantasie eine skurrile Wunderwelt voller
Hexen, Feen und Dämonen, von Prinzessinnen, Königen und armen Teufeln,
deren Geschichten die Zuhörer teilhaben lassen am uralten und gleichwohl
zeitlosen Erfahrungsschatz der Völker. |
Die
erlösende Begegnung mit einer (liebenden) Frau ist nur eine solcher
Erfahrungen. Sie heilt auf Mallorca den langlippigen Maurenkönig von
seinem Leiden wie sie im Norden den Froschkönig in Grimms gleichnamigem
Märchen von seinem bösen Zauber befreit. |
Hier im
Museum aber kommen die grotesken Figuren aus Pappmaché der Phantasie zu
Hilfe. Sie verdichten die Geschichten, auf die sie verweisen, entweder
durch die karikierende Überzeichnung eines körperlichen Merkmals – eine
höckerige Nase, lange Lippen, ellenlange schlohweiße Bärte ... – oder
durch die Zuspitzung einer Schlüsselszene wie die Wucht der furchterregenden
Köpfe der drei Riesen oder auch der Tatendrang des "tapferen" Martin
mit geschultertem Drachenkopf, so "tapfer" übrigens wie das Schneiderlein
in Grimms Märchen ... |
Auf Figaro
verfehlen diese Techniken ihre Wirkung nicht: sie setzen ihn in Erstaunen,
wecken seine Neugier und verleihen seiner Phantasie Flügel, bereit, nun
endlich die ganze Geschichte zu hören, welche die Figur in ihrer Dramatik
verspricht. |
In der Tat
ist die Wirkung dieser aus dem jahrhundertealten Repertoire der Groteske
in Europa stammenden Verfahren immer noch unwiderstehlich, zumindest wenn
sie so meisterhaft beherrscht werden wie im vorliegenden Fall von Pere
Pujol (1934 – 2001). Für dieses Museum regionaler Traditionen ist es ein
besonderer Glücksfall, dass dieser bekannte Bildhauer, der sich seit den
70er Jahren dem Brauchtum auf Mallorca zugewandt hatte, aus Artà stammt.
Aus seinem reichen Fundus Sa Rondaia kommen hier 20 Figurenensemble zur
Anschauung. |
Und diese
sind nicht nur Wegweiser, sondern auch Schlüssel für die auf vier Räume
nach Themen verteilten Geschichten aus der über 400 Märchen umfassenden
Sammlung des mallorquinischen Priesters Antoni Maria Alcover (1862-1932),
die im Volksbewusstsein auf der Insel mindestens so fest verankert sind
wie die Märchen der Gebrüder Grimm oder die Figur des Kasper in der Heimat
Figaros. |
Der "tapfere" Schuster Martin -
En Martí Tacó |
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Noch lange
nach ihrem Rundgang unterhielten sich Figaro und seine Freunde bei
sobrassada und mallorquinischem Bier aus der Tramuntana in der im
ehemaligen patio des Hauses im Stil eines Künstlercafés der 20er Jahre
eingerichteten Cafetería über ihre Eindrücke. Das Angebot auf der Karte
passte zur Philosophie des Hauses: pan amb oli, trempó, gató ... Regionale
Alltagsgerichte von einst, die im kulinarischen Umfeld unserer Tage hier
zur besonderen, kleinen Köstlichkeit werden. |
Die Tochter von Sonne und
Mond, die auf der Erde lebt - Sa Filla Del Sol I Sa Lluna
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Sie hatten
das Haus fast schon wieder verlassen, als seine Freunde aus Palma Figaro
auf die Besonderheit der Auslagen im Eingangsbereich des Ladens aufmerksam
machten: Produkte allesamt des mallorquinischen Kunsthandwerks. Solch ein
handgefertigtes Unikat – ein Korb etwa aus Zwergpalmblättern der Region
für den Einkauf auf dem Wochenmarkt – das käme doch seiner Liebe zu Artà
genau entgegen! ... |
Bereits am
nächsten Tag schaute Figaro schon wieder vorbei. Und der Zufall wollte es, dass er
Zeuge einer Aufführung des Volksmärchens Es nas de dos pams (Die
zweihandbreitlange Nase) wurde – und das vor einer Kindergartengruppe in der zur
Bühne umfunktionierten Cafetería. |
Im
Mittelpunkt naturgemäß der Held Joan Langnase, gespielt zu Figaros nicht
geringer Überraschung von seinem Freund Bernat Mayol, der selbst in der
Fußgängerzone einen Laden für Bilder und Rahmen führt, von Haus aus aber
auch ein begnadeter Pädagoge und Schauspieler ist. Die Kleinen jedenfalls
hingen wie gebannt an seinen Lippen, pardon, an seiner Nase.
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Die
Aufführung war alles andere als eine Eintagsfliege, wie Figaro im
Anschluss an die Vorstellung von Bernat erfuhr. Über 1000 Kinder,
vornehmlich im Alter von vier bis neun Jahren, und zahlreiche Gruppen von
Senioren aus allen Ecken und Enden der Insel bezeugen den Erfolg des
Projektes ArtArtà, bedrohte Traditionen zu neuem Leben zu erwecken. Die
Saat scheint aufzugehen! |
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